Als Hoffnung noch nach Patchouli roch
Ein Poetry-Slam, inspiriert vom heutigen Neumond – ein Versuch, einfach zu sein und in Erinnerungen zu schwelgen.
Zum Nachlesen
🎤 Als Hoffnung noch nach Patchouli roch
(Ein poetischer Ruf an das echte Leben)
Ich war dabei –
damals, als Hoffnung noch nach Patchouli roch
und nicht nach Bildschirmblau.
Als wir dachten, dass Frieden einfach kommt,
wenn wir gemeinsam laut genug darüber singen.
Ich war dabei –
als Gedanken flogen, leicht wie Pusteblumen.
Als Träume keine Konzepte brauchten –
und wir noch wünschten,
nicht bestellten, nicht downloadeten.
Als wir zum Himmel blickten.
um die Sonne zu suchen –
nicht aufs Handy, um die Wetter-App zu befragen.
Ich war dabei –
damals, als Herzen noch vor Liebe brannten
strahlend hell, auch an dunklen Tagen.
Als Liebe vom „Du“ lebte – nicht vom „Ich“.
Als wir an das „Für immer“ noch glaubten -
nicht ans Event, die Location, den Dresscode
oder eine überdimensionale Hochzeitstorte.
Ich war dabei –
als Beziehung noch kein Wegwerfartikel war.
Wenn die Schmetterlinge im Bauch müde wurden vom Flattern,
gab man ihnen Raum zum Ruhen.
Und wenn das Feuer nicht mehr lichterloh brannte,
blieb doch die heiße Glut,
die unsere Träume noch wärmte.
Ich war dabei –
damals, als Vertrauen noch süß wie Sommer schmeckte.
Wir wussten, dass die Erde nicht uns gehört –
sondern wir ihr.
Dass Nahrung ein Geschenk ist,
keine Verpackungseinheit in Plastikfolie.
Dass Klima keine Verträge braucht –
sondern Dankbarkeit und Bewusstsein.
Ich war dabei –
als wir von alleine wussten,
dass ohne Bienen und Bäume,
ohne Vielfalt,
das Lied des Lebens verstummt.
Und ich will felsenfest daran glauben,
dass Kinder wieder auf Bäume klettern
statt auf Karriereleitern.
Dass sie den Duft von Erde erkennen –
und sich nicht nur an Passwörter erinnern.
Ich war dabei –
damals, als wir unsere Jugend wie Sodawasser fühlten:
prickelnd und klar –
nicht wie eine abgestandene, schale, braune Brühe.
Gänsehaut beim Gitarrensolo.
Tränen beim Klang einer Stimme.
Ekstase beim Tanzen –
nicht beim Posten.
Ich war dabei –
damals warnten sie uns vor Räucherstäbchen und Alkohol.
Heute sind wir süchtig nach Aufmerksamkeit,
nach Filtern,
nach fremden Leben auf Bildschirmen und Bühnen.
Emotionen mussten nicht perfekt sein, sondern echt.
Und irgendwann begannen wir,
Menschen in Schubladen zu stecken.
Boomer. Gen Z. Millennial. Snowflake. Narzist
Als wäre der Geburtsjahrgang: eine Diagnose, ein Argument
So lässt man uns leichter gegeneinander aufhetzen:
Polarisieren statt zuhören.
Diskriminieren statt verstehen.
Wir vergessen,
dass jeder Mensch einzigartig ist –
nicht sortierbar. Nicht normier-bar.
Und während wir noch streiten,
applaudiert der Algorithmus.
Denn Empörung bringt Reichweite,
und Spaltung Klicks.
Doch was wäre,
wenn wir stattdessen das Wunder feiern,
dass es jeden von uns nur einmal gibt?
Denn - Erinnern wir uns:
Die Zeit verrinnt wie Wasser –
nicht dramatisch,
aber stetig.
Und wir können Frieden, Freundschaft und Nähe
nicht für später aufheben –
denn Später ist ein Dieb.
Es stiehlt uns das Jetzt.
Wir arbeiten wie Blöde,
um Geld zu verdienen,
nur um anderen beim Leben zuzusehen.
Wir kleben am Bildschirm und buchen Waldgänge,
bezahlen für Sonnenaufgänge mit Deutung und kaufen
Weltbilder wie fremde Gebisse – teuer, schick und selten passend.
Lassen uns erklären,
wie wir lieben sollen,
fühlen,
sein –
von Serien, von Werbung, Coaches
und Algorithmen.
Doch das Leben –
das echte Leben–
kann man nicht liken oder konsumieren.
Man kann es nur selbst erleben.
Und vielleicht –
vielleicht bin ich alt.
Aber ich war dabei –
damals,
als Hoffnung noch nach Patchouli roch,
mit unserer eigenen, unverkennbaren Musik im Blut
und Feuer im Herzen,
um zu tun,
was wir wollten.
